Zeitlich begrenzte Änderungen in der Prozesslenkung nach IATF16949 Kap. 8.5.6.1.1

Die IATF 16949 fordert im Kapitel 8.5.6.1.1, das die Organisation eine Liste der Produktionsprozesslenkungsmaßnahmen, inklusive Prüf- und Messmittel, erstellen, dokumentieren und pflegen muss, inklusive der freigegebenen Backup- oder Alternativmethoden.

Was ist damit gemeint?

Diese Forderung des Standards ist tatsächlich oft ein Diskussionsthema. In vielen Audits wurde bisher dieses Kapitel so verstanden, dass es sich nur auf Prüf- und Messmittel bezog, und auf die Prüfmittelliste verwiesen. Gewünscht ist aber was anderes:

Die Sicherstellung aller Produktionsfähigkeiten der Prozesse.

Das bedeutet konkret, das das Unternehmen prüfen muss, in welchem Prozessschritt des PLP welche Risiken bestehen, und dafür Alternativ- und Backup-Prozesse festlegt, die dann auch klar definiert werden.

Beispiel:

Im Prozessschritt Bohren ist eine automatische Bohreinrichtung installiert. Die Risikoanalyse ergibt, dass der Ausfall der Steuerung möglich ist. Im PLP muss jetzt festgelegt sein, welcher Backup Prozess (z.B. andere Bohreinrichtung) und/oder welche Alternative Produktionsprozesslenkung (z.B. manuelle Bedienung der Bohreinrichtung) eingesetzt wird, falls die Steuerung ausfällt.

Der Backup-Prozess und die alternative Produktionsmethode müssen nun geplant und mit einer Prozessbeschreibung beschrieben, die Mitarbeiter müssen geschult und vorbereitet sein. Weiter muss festgelegt sein, wie die alternative Methode überprüft wird. Da es kein regulärer Prozess ist, wird eine häufigere Überprüfung der Durchführung (min. 1x täglich) gefordert, und die mit dieser Produktionsprozesslenkung produzierten Teile müssen gesondert rückverfolgbar sein.

Diese Anforderung gilt nun für alle Produktions-, Prüf- und Messmittel.

Müssen alle Prozessschritte des PLP abgesichert sein?

Dies ist nicht nötig, manchmal auch nicht möglich. Bestimmen Sie das Risiko und die Notwendigkeit, den jeweiligen Prozessschritt abzusichern über Ihre Risikoanalyse.

Haben Sie ein geringes Risiko oder kurze Reparaturzeit, brauchen Sie keinen Prozess zu bestimmen.
Haben Sie ein hohes Risiko, aber keine Möglichkeit einer alternativen Prozesslenkungsmethode, müssen Sie andere Maßnahmen treffen, um die Lieferfähigkeit abzusichern.

Betrachten Sie daher dieses Kapitel der IATF 16949 bereits in der Produktionsprozessentwicklung/FMEA.

3 thoughts on “Zeitlich begrenzte Änderungen in der Prozesslenkung nach IATF16949 Kap. 8.5.6.1.1”

  1. Hallo!

    Sie schreiben:
    „Diese Forderung des Standards ist tatsächlich oft ein Diskussionsthema. In vielen Audits wurde bisher dieses Kapitel so verstanden, dass es sich nur auf Prüf- und Messmittel bezog, und auf die Prüfmittelliste verwiesen. Gewünscht ist aber was anderes:“

    Frage ist für mich: wer wünscht sich was anderes und ist das eindeutig klar?

    Mir liegen sich widersprechende Aussagen von der Intertek, TÜV Rheinland und einer Schulungsunterlage der AIAG vor, die sich alle widersprechen. Es ist eben nicht klar, was genau mit „Produktionsprozesslenkungsmaßnahmen“ gemeint ist bzw kenne ich keine „saubere Definition“. In den QM-Foren der Welt widersprechen sich die Anwender auch stehts.

    Soweit ich es sehe spalten sich die Geister in zwei Gruppen (kurz gefasst):
    1. Dinge, die Prüfen, Messen, Kontrollieren.
    2. „Alles“, von CNC-Fräser zu Poliermaschine, von Bohrer zu Säge.

    Können Sie mir bitte eine verlässliche Quelle dafür geben, das „etwas anderes“ als 1. gewünscht ist?

    Danke für die Hilfe!

    1. Hallo Herr Großmann,

      besten Dank für Ihre Frage.
      Mir ist keine offizielle Interpretation zu diesem Punkt bekannt.
      Meine Interpretation ist dahingehend:
      1. Im ersten Satz wird von „einschließlich der Prüf- und Meßmittel“ gesprochen. Das bedeutet, dass eben nicht nur diese gemeint sind, daher reicht eine Beschränkung auf die Prüfmittelliste schonmal aus diesem Kontext nicht aus.
      2. Der Prozess, mit dem die alternativen Steuerungs- und Überwachungsmethodern geregelt werden, muss beschrieben sein. Auch hier muss die Definition beachtet werden. Mess- und Prüfmittel vergleichen einen Soll- und Istzustand, haben also keinerlei Steuerungsfunktion. Daher ist auch hier die Beschränkung auf „Dinge, die Prüfen, Messen und kontrollieren“ nicht ausreichend, weil es eben keine Steuerung beinhaltet.
      3. Meß- und Prüfmittel sind in der Meß- und Prüfmittelliste geregelt, bei einer Beschränkung auf eben diese wäre 8.5.6.1.1 überflüssig und doppelt geregelt.
      4. An keiner anderen Stelle werden die Maßnahmen bei Ausfall der primären Steuerungen geregelt, bei Beschränkung auf die Prüfmittelliste würde der Standard also nicht auf z.b. einen Ausfall der automatischen Temperaturregelung eines Ofens und die Durchführung der Temperaturkontrolle über manuelle Maßnahmen eingehen.

      viele Grüße

      Marco Bergmann

  2. Dieser Artikel über PLP- und FMEA-Prozesse ist sehr hilfreich. Ich wollte besser informiert sein, weil ich nur sehr wenig darüber weiß. Nachdem ich diesen Artikel gelesen habe, weiß ich genug über dieses Thema.

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